Adventstürchen 11.12.2021

Ein Kaktus namens Horst

Wie man welche Pflanzen erfolgreich in die Erde setzt, steht in jedem Gartenbuch. Wie man die Fantasie eines Gartenidylls voller exotisch bunter Blumen, Kräuter und Gemüse mit der Realität auf einem 1x1m Balkon in einem dreißig stöckigen Hochhaus realisieren soll, steht nirgends. Auch nicht, wie man sich die Zeit anpflanzt, die man benötigt, um sich um einen Garten zu kümmern, wenn man nach einem 12-Stunden-Job und einer 1-Stunden Autofahrt nach Hause völlig übermüdet ins Bett kippt.
Vielleicht sind Gärten nur für Menschen gemacht, die ihr Leben im Griff haben. Ich meine wirklich im Griff, so mit anständiger Work-Life-Sleep-Balance und Zeit und Hobbies und einem grünen Daumen. Vielleicht spüren Pflanzen, wenn ihr Besitzer eben stattdessen nur eine Work-Sleep-Work-Inbalance hat und geben es aus reinem Protest auf, zu wachsen, obwohl man sein letztes bisschen Life aufopfert, um sie zu hegen und zu pflegen. Jedenfalls ist es das, was mein Kaktus getan hat. Ich habe ihn Horst genannt, weil er so ein Horst war, trotz Sonne, Wasser und Pflege einzugehen. Ich dachte immer, Kakteen könnten nicht einfach austrocknen. Die kommen schließlich aus der Wüste! Horst ist trotzdem vertrocknet, sogar regelrecht verschrumpelt. Dabei habe ich ihn genauso gepflegt, wie es in dem schlauen Buch »Jeder kann gärtnern« beschrieben ist.
Vielleicht hätte Horst das Buch lesen müssen und nicht ich.