Leseprobe 1 von Der Weihnachtsballs des Earls
Kapitel 2 – Edgar
Edgar rekelte sich in dem abgewetzten Ohrensessel, der im privaten Arbeitszimmer seines Vaters in dem schicken Londoner Stadthaus vor dem Kamin stand. Die Füße ließ er sich vom Feuer wärmen, während sein Magen eine besonders genussvolle Alternative geboten bekam: des Earls guten schottischen Whisky. Er grinste zufrieden, nahm einen weiteren Schluck aus dem absichtlich überfüllten Glas und ließ ihn sich über die Zunge rollen. Dieses rauchige Aroma war schlicht köstlich und nun noch mehr als zu den Zeiten, in denen er die eine oder andere Flasche des kostbaren Whiskys stibitzt hatte. Nun, da war er sich sicher, war er nur einen winzigen Schritt von der Erfüllung all seiner Wünsche entfernt.
Er verschluckte sich, hustete und verschüttete einen guten Teil seines berauschenden Getränks. Fluchend sprang er auf.
»Vermaledeites Glas!« Er schüttete den Rest in einem Schluck herunter und schleuderte das leere Trinkgefäß mit voller Wucht gegen den Kamin. Süße Befriedigung rann durch seine Adern, und das Missgeschick von zuvor wurde unbedeutend. Er wischte abwesend über die benetzte Stelle, die durch seinen Umfang einen guten Teil seiner Vorderseite ausmachte, und schielte zur Bar. Noch ein Schlückchen hätte er sich verdient, zumindest wenn es nach seinen Gelüsten ginge. Andererseits wäre es ihm ein Graus, seinem Bruder betrunken gegenüberzustehen. Nicht, weil es ihn scherte, was dieser von ihm dachte, weit gefehlt. Einzig die Möglichkeit, seine Chance nicht beim Schopf packen zu können, weil er wie ein Dussel über seine eigenen Worte oder, gar noch schlimmer, über die eigenen Füße fiel, hielt ihn davon ab, sich ein weiteres Getränk auf seine baldige Erhebung in die Peerage zu heben. Schließlich wollte er keinesfalls wie sein schusseliger Sohn George wirken, der sich auch stocknüchtern jederzeit blamieren konnte, indem er stürzte, sich mit Wein bekleckerte oder Shakespeare rezitierte.
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